Wohnorte
1857-1863
1873-1878
Clara zog nach dem Tod von Robert Schumann 1857 nach Berlin, zunächst bis 1861 in die Dessauerstraße 2 [1] und von 1861-63 an das Schöneberger Ufer 22 [2]. Von 1873-78 wohnte Clara Schumann ein zweites Mal in Berlin, In den Zelten 11 [3]. Leider haben sich keine Originalgebäude erhalten. Dennoch lassen sich einige interessante Details rekonstruieren!
[Kartenausschnitt: Sineck, Grundriss von Berlin 1871; Markierungen hinzugefügt (Wikimedia Commons)]
Dessauerstraße 2
Clara Schumanns Wohnung in der Dessauerstr. 2 (2. Stock) befand sich in unmittelbarer Nähe zum Leipziger Platz und der heutigen Stresemannstraße. Um 1857 verlief hier noch die Stadtmauer Berlins - die Dessauerstraße und das nahe gelegene Schöneberger Ufer befanden sich bis 1865 noch außerhalb der Stadtmauer. Vermutlich wählte Clara Schumann Berlin als neuen Wohnort, da sie sich der Unterstützung ihrer hier lebenden Mutter Mariane Bargiel sicher sein konnte. Diese hatte bereits von 1854-57 Claras Tochter Julie zu sich aufgenommen. Kurz nach dem Einzug schrieb Clara Schumann an den befreundeten Geiger Joseph Joachim am 6.10.1857: „Gott weiß, wie elend ich mich hier fühle! Noch stecke ich im tiefsten Trouble, obgleich ich seit bald 14 Tagen von Früh bis Abend geräumt und besorgt habe. Es ist mir, als sei ich garnicht mehr Ich, kein Ton kommt in mich, ach, diese Freudlosigkeit in meinem Innern ist entsetzlich. Berlin erscheint mir so schrecklich, ich komme mir wie eine hierher Verbannte vor…“* Diese harten Worte lassen erahnen, welch einschneidende Bedeutung der Umzug von Düsseldorf nach Berlin nach Robert Schumanns Tod gehabt haben muss, das Hinter-sich-Lassen des gemeinsamen Lebensmittelpunktes. Auch für die Kinder beginnt ein neuer Lebensabschnitt. In Berlin übernimmt Elisabeth Werner, eine langjährige Freundin Claras (und Schülerin Woldemar Bargiels), ab Mai 1858 den Haushalt und die Betreuung der Kinder Marie, Elise, Julie, Eugenie und Felix, wenn Clara Schumann auf Konzert- oder Kurreisen ist. Die Söhne Ludwig und Ferdinand besuchten zu der Zeit die Erziehungsanstalt von Dr. Karl Stoy in Jena. Das Wohnhaus in der Dessauerstr. 2 wurde ca. 1845 erbaut - in historischen Berliner Adressbüchern ist die Adresse ab 1845 eingetragen, die Dessauerstraße selbst wurde 1844 angelegt. Im Jahr 1905 wurde das Haus abgerissen und an seiner Stelle ein Geschäftshaus errichtet, das heute unter Denkmalschutz steht und die Adresse „Dessauer Straße 1-2“ aufweist. Von dem Vorgängerbau konnte bislang keine Abbildung ausfindig gemacht werden.
*Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen von Berthold Litzmann. Bd. III: Clara Schumann und ihre Freunde 1856‒1896, 8. Aufl., Leipzig 1908, S. 22.
[Kartenausschnitt: Birck, Situations-Plan der Haupt- und Residenzstadt Berlin mit nächster Umgebung 1864 (Wikimedia Commons)]
Schöneberger Ufer 22
Da Clara Schumann sich nur wenig in Berlin aufhielt - seit 1854 hatte sie ihre Konzerttätigkeit verstärkt wieder aufgenommen - und ihre Töchter Elise sowie Julie 1860 Berlin verließen, wurde eine etwas kleinere Wohnung gesucht. Ende April 1861 zog Clara Schumann zusammen mit ihren Kindern Marie, Eugenie und Felix ans Schöneberger Ufer 22 (3. Stock), das Wohnhaus wurde erst 1860 erbaut. Hier wohnte sie zusammen mit Elisabeth Werner auf einer Etage, die jedoch 1861 aus Berlin wegzog. So übernahm Marie die Haushaltsführung und Betreuung der jüngeren Geschwister; sie begleitete Clara Schumann ab 1858 auch auf ihren zahlreichen Konzertreisen. Durch Eugenie Schumanns Erinnerungen erhalten wir einen kleinen Einblick: „Wir bezogen eine schöne Wohnung, in welcher selbstverständlich die sogenannte Berliner Mittelstube mit einem großen Fenster nach dem Hofe nicht fehlte. In diesem der Südsonne zugewandten Raume hielten wir Kleinen uns auf; dort stand auch das Tafelklavier für uns zum Üben, während die Schwestern den schönen Flügel in der vorderen Wohnstube benutzten. Manchmal war Marie bei uns, dann meine zweite Schwester Elise, auch wohl beide zusammen, wofür mir eine unvergeßliche Szene, deren erstarrte Zeugin ich war, bürgt. Elise, die damals oft etwas schwermütiger Laune war, lehnte am offenen Fenster und blickte unverwandt auf das Schöneberger Ufer hinab. Sie hatte schöne lange blonde Zöpfe, die mit unzähligen Haarnadeln am Kopfe befestigt waren. Marie sagte ihr etwas, erhielt aber keine Antwort. Neckerfriede, der sie war, schlich sie sich hinter die Schwester, zog ihr eine Haarnadel heraus und warf sie auf die Straße. Elise rührte sich nicht. Eine zweite Nadel folgte der ersten, dann die dritte, und schließlich alle miteinander. Elise war unbeweglich geblieben; als aber die letzte Nadel hinuntergeflogen war, drehte sie sich blitzschnell um, und eine schallende Ohrfeige saß auf Mariens Backe.“*
Auch das Wohnhaus am Schöneberger Ufer 22 ist nicht mehr erhalten, es wurde (vermutlich aufgrund von Kriegsschäden) 1940 abgebrochen. Heute existiert hier der „Park am Karlsbad“. 1863 zog Clara Schumann von Berlin nach Baden-Baden, wo sie sich ein Haus gekauft hatte, um dort die Sommer- und Herbstmonate gemeinsam mit ihren Kindern verbringen zu können. In Baden-Baden wohnte Clara Schumann bis 1873 und zog dann erneut nach Berlin.
* Eugenie Schumann, Erinnerungen, Stuttgart: J. Engelhorns Nachf. 1925, S. 15.
[Kartenausschnitt: Birck 1864 (Wikimedia Commons)]
In den Zelten 11
Von 1873-78 wohnte Clara Schumann ein zweites Mal in Berlin. Obwohl sie sich in Baden-Baden sehr wohlfühlte, erwog sie den Umzug nach Berlin, da sie nicht mehr so viel reisen wollte (was sie dennoch tat). Berlin, ab 1871 Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs, war günstig gelegen: Konzertreisen in Richtung Norden oder etwa Sachsen (Leipzig, Dresden) sowie in Richtung Breslau oder Stettin, Danzig und Königsberg wiesen von Berlin aus kürzere Wegstrecken auf als etwa von Baden-Baden. Auch die 1869 von Joseph Joachim neu gegründete Musikhochschule in Berlin mag ein Grund für den Umzug gewesen sein. Nicht zuletzt war es Clara Schumanns Wunsch, mehr Zeit mit ihrem in Berlin lebenden Sohn Ferdinand sowie mit dem jüngsten Sohn Felix verbringen zu können. Zusammen mit ihren Töchtern Marie und Eugenie zog Clara Schumann in eine repräsentative Adresse im Tiergarten, In den Zelten 11 (bis 1871 hieß die Straße Eichenallee, das Wohnhaus wurde Ende der 1860er erbaut). In den Zelten wohnten im 19. Jahrhundert u. a. auch Bettina von Arnim, Joseph Joachim und Mathilde Wesendonck sowie die Schumann-Schülerin Julie von Asten. Claras Wohnung befand sich im 2. Stock des zweistöckigen Eckhauses (Ecke Beethovenstraße) mit Souterrain und Erdgeschoss, das Haus besaß einen kleinen umzäunten Vorgarten und eine dekorativ jedoch dezent verzierte Fassade. Clara Schumann gab in ihrer Wohnung sowie in Joachims Villa, die über einen Musiksalon verfügte, auch private Soireen. Aufgrund ihrer starken Armschmerzen begab sich Clara Schumann besonders 1874 und 1875 auf einige Kurreisen, ab Ende 1875 nahm sie ihre Konzertreisen wieder auf, sodass sie eigentlich nur wochenweise in Berlin zuhause ist. Obwohl sie in Berlin zahlreiche erfolgreiche Konzerte gab und freundschaftliche Kontakte zu Künstlerkollegen pflegte, fühlte sie sich in den 1870ern in Berlin nicht ganz heimisch. In einem Brief an ihren Freund Hermann Levi im Dezember 1875 schreibt Clara Schumann sogar: „Ich passe hier nicht her, kann nur in einer mittelgroßen Stadt finden, was ich für den künstlerischen wie geselligen Verkehr bedarf. Hier werde ich früher älter, als ich eigentlich bin. Mir fehlen musikalische Genüsse, künstlerischer Verkehr, der Einem auch mal eine gemüthliche Stunde Musik vergönnt, kurz das Licht und die Luft, die ich brauche."* Sicher gilt diese Einschätzung besonders für die 1870er-Jahre, in denen Clara auch das Schumann- und Brahms-Verständnis des Berliner Publikums bemängelt. Zudem war Berlin als industrialisierte Stadt mit über 800.000 Einwohnern im Jahr 1871 (und mit fast 1 Mio. Einwohnern 1873) alles andere als "gemütlich".
Auch das Wohnhaus In den Zelten 11 ist nicht mehr erhalten, es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute befinden sich in unmittelbarer Nähe der damaligen Adresse das Haus der Kulturen der Welt und das Bundeskanzleramt. 1878 zog Clara nach Frankfurt am Main (eine wesentlich grünere und kleinere Stadt mit nur ca. 100.000 Einwohnern in den 1870ern), um am Hoch’schen Konservatorium zu unterrichten.
*Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen von Berthold Litzmann. Bd. III: Clara Schumann und ihre Freunde 1856‒1896, 8. Aufl., Leipzig 1908, S. 329 (H.i.O.).
[Kartenausschnitt: Sineck, Situations-Plan von Berlin mit dem Weichbilde und Charlottenburg 1882 (Wikimedia Commons)]